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Literatur

Rezension – Jammern auf hohem Niveau von Markus Köhle

Wiener, die unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem so viel gemeinsam haben, sitzen in einer Bar und philosophieren über Gott und die Welt. Das ist der Handlungshintergrund von Markus Köhles neuem Roman Jammern auf hohem Niveau. Das Buch, das er selbst als “Barhocker-Oratorium” bezeichnet, erscheint im September im Sonderzahl-Verlag. Seine 160 Seiten sind gefüllt mit Sprachspielereien, ganz so wie man es von Köhle erwartet.

Zum Autor

Der 1975 in Nassereith geborene Autor beweist seine Sprachgewandtheit regelmäßig nicht nur diverse Publikationen, sondern auch auch durch die Organisation und Moderation monatlicher Poetry Slams in Innsbruck. Selbst das reicht dem Multitalent nicht – er ist Teil der Wiener Lesebühne Dogma Chronik Arschtritt, Mitarbeiter des internationalen Literaturfestivals Sprachsalz in Hall und kuratiert die Veranstaltungsreihe Slammer.Dichter.Weiter. in der Alten Schmiede in Wien. Außerdem ist er seit 2010 Redakteur bei der Literaturzeitschrift DUM.

Worum geht es?

Dass sich Köhle mit Poesie – und vor Allem dem gesprochenen Wort – intensiv auseinandersetzt, wird auch in Jammern auf hohem Niveau evident. Als Leser bekommt man das Gefühl, der Text würde erst in vorgelesener Form sein ganzes Potential entfalten. Sätze wie “Da hat sich wer als Hengst gepferdet, mir schwant ein böses Ente.” schreien geradezu danach, vorgetragen zu werden. Diese Wortspiele geben dem Text etwas unheimlich Literarisches, was einige Leser davor zurückschrecken lassen mag. Doch wer durchhält, wird belohnt. Selbst bei einem poetisch  so sorgfältig gestalteten Text, kommt der Inhalt nicht zu kurz. Trotz fehlender kohäsiver Erzählung quasi bis zu den letzten Seiten der Geschichte, bekommt man als Leser einen wunderbaren Einblick in das Leben der ProtagonistInnen.

Köhle will aber mit seinem Text noch viel mehr darstellen, als bloße Charakterbeschreibungen: Alltagsbeobachtungen, Sozialkritik, sogar eine Reflexion über Literatur und Literaturschaffende – all diese Themen werden in Jammern auf hohem Niveau angeschnitten. Im Mikrokosmos der Bierkneipe Bierpipeline werden so alle Lagen des Lebens analysiert, ob persönlich oder politisch. In dem Kapitel “Im Wiesel steckt ein Esel” zum Beispiel unterhalten sich der Charakter Markus und der Ich-Erzähler über ihre Liebe zu Zügen und die seltsame Namensgebung der Wiesel – der Nahverkehrs-Doppelstockwagen der ÖBB:

Wiesel! Keine Ahnung, welcher Fuchs auf die Idee kam, die Schnecken unter den Zügen Wiesel zu nennen. Vielleicht heißen die Züge so, weil im Wiesel ein Esel steckt und Esel als zwar sture aber doch zuverlässige Transportmittel gelten? Egal.

Gesellschaftskritischer wird es in dem Abschnitt namens “Es geht was um!”, in dem die Vera, eine der ProtagonistInnen, einen Newsletter über das Leben einer so genannten “Prekariats-Aspirantin” verfasst:

Die Prekariats-Aspirantin ist ein Produkt der Kreativwirtschaft. Die Prekariats-Aspirantin ist ein evidentes Randerscheinungsphänomen des freien Dienstnehmerinnensystems. Das mag nur einigen bekannt vorkommen. Und ja, das Modell ist nicht neu, hat sich bewährt und heißt in anderen Arbeitsbereichen einfach Lehre.

Köhle hat sich in Jammern auf hohem Niveau viel vorgenommen. Der Text birgt mit seiner unzusammenhängenden Erzählweise die Gefahr, für den Leser zu anstrengend zu werden, doch dies umgeht der Autor mit seinem ausgezeichneten Gefühl für Sprache. Somit wird der Roman zu einem weiteren Erfolg für den selbsternannten “Papa Slam”.

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